Kirchenmusik verbindet

Leitartikel für die Zeitschrift «reformiert.», Regionalteil Muri-Gümligen, Oktober 2023

Musik in der Kirche ist mehr als eine Debatte über Stilrichtungen. Sie verleiht dem Gottesdienst eine tiefere emotionale Dimension. Dieser Artikel erkundet die vielfältige Rolle von Kirchenmusik und betont ihre Bedeutung als emotionale Brücke zwischen Glaube und Gemeinschaft.


Auseinandersetzungen um eine vermeintlich richtige, würdige und nicht zuletzt zeitgemässe Musik im Gottesdienst gibt es seit jeher. Welche Bedeutung der Kirchenmusik zugemessen wird, lässt sich aus der Leidenschaft und Schärfe, mit welcher erbittert diskutiert wird, unschwer erkennen. Es macht den Eindruck, als hätte sich die Diskussion in jüngster Zeit festgefahren: Auf der einen Seite werden im Namen der Tradition die Orgel und jahrhundertalte Lieder verteidigt, auf der anderen Seite werden Schreie nach modernen Ausdrucksformen laut. Inmitten aller stilistischen Debatten scheinen grundsätzliche Fragen um Musik im Gottesdienst und in der Gemeinde mitunter vergessen zu gehen: Welchem Zweck dient sie? Welche Bedeutung wollen wir ihr zuordnen? Welche theologischen Inhalte soll sie vermitteln? Welche Bedingungen stellt eine inklusive Musikpraxis?

Musik eröffnet emotionale Resonanzräume. Sie berührt und tröstet, beruhigt und erheitert. In der Liturgie gibt die Musik verschiedenen Dimensionen – verkünden und hören, bedenken, antworten, schweigen – ihre Gestalt und Intensität. Der Gemeindegesang lädt dazu ein, als Gemeinschaft einzustimmen: lobend und dankend, aber auch zweifelnd und klagend. Und wo Worte versagen, vermittelt die Musik eine Ahnung vom Unsagbaren und gibt dem Unaussprechlichen eine Stimme.

Glücklicherweise sind die Zeiten vorbei, als Musik bloss als akustische Tapete zur Verschönerung des Gottesdienstes verstanden wurde. Um ihr Potenzial jenseits schöner Wohlfühlklänge zu entfalten, bedarf es im liturgischen Raum jedoch eines sorgfältigen und reflektierten Umgangs mit Musik. Beteiligte müssen sich dem Gesamt ereignis «Gottesdienst » unterordnen. Kirchenmusik gelingt nur, wenn die verschiedenen Akteur:innen ihren Platz im Zusammenwirken aller pastoralen Berufe finden und den Gottesdienst interdisziplinär verantworten.

Auch über den Gottesdienst hinaus leistet die Musik einen vielschichtigen Beitrag zur Gemeinde und zur Gesellschaft: Als Brückenbauerin zwischen Generationen und Kulturen; in ihrem unmittelbaren Geschehen, die eine authentische, gemeinschaftliche Erfahrung bietet; in der kulturellen Bildung; durch die Vermittlung theologischer Inhalte. Und nicht zuletzt erreichen Kirchenchöre und Konzerte «Kirchenferne», die sich von anderen kirchlichen Angeboten längst verabschiedet haben. «Ich liebe die Musik […], weil sie ein Geschenk Gottes und nicht der Menschen ist, weil sie die Seelen fröhlich macht, weil sie den Teufel verjagt, weil sie unschuldige Freude weckt.» (Martin Luther 1530, nach Weimarer Ausgabe 30/2, 695f.).